Fremdwährungskredite: Österreichs Häuselbauer in Gefahr!

In keinem anderen Land in Europa sind so viele private Kreditnehmer in Fremdwährung verschuldet wie in Österreich. Wenn im nächsten Jahr die große Tilgungswelle einsetzt, droht vielen Kreditnehmern das böse Erwachen. Und obwohl Banken seit Jahren auf Umschuldungen drängen, warten viele Besitzer von Franken-Krediten ab. Auch weil es an attraktiven Angeboten fehlt.

Wer sich Mitte der 90er Jahre den Traum vom eigenen Heim erfüllen wollte, für den hatten Finanzberater ein verlockendes Angebot parat: Statt sich in Schilling zu verschulden, nahm man Kredite in kursgünstigeren Schweizer Franken oder japanischen Yen auf. Zur Tilgung wurden boomende Aktienfonds oder fondsgebundene Lebensversicherungen dazuverkauft.

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Ein Kredit – drei Risiken

Das Konzept dahinter ist so einfach wie gefährlich: Anstatt die benötigte Summe (z. B. 100.000 Euro) als Kredit aufzunehmen, wurde ein Kredit über 300.000 Euro in Franken oder Yen abgeschlossen. Die 100.000 Euro wurden ganz normal für die jeweilige Anschaffung verbraucht, die restlichen 200.000 Euro wanderten in sogenannte Tilgungsträger, also Ansparprodukte wie Lebensversicherungen oder Wertpapiere. Zurückgezahlt wurden nur die Zinsen. Wenn nach 20 Jahren die gesamte Summe fällig würde, sollten diese Tilgungsträger – so das Versprechen – nicht nur den Kredit abdecken, sondern noch einen zusätzlichen Gewinn abwerfen.

Doch was viele Kunden übersahen, war, dass sie gleich mehrere Risiken eingingen: Neben der Gefahr schwankender Zinsen kommt hier auch das Wechselkurs- und Tilgungsträgerrisiko zu tragen. Und beide haben sich – durch den starken Franken und die Einbrüche an den Börsen – äußerst negativ für Fremdwährungskreditnehmer entwickelt.

Hedgefonds des kleinen Mannes“

Trotzdem wurden Fremdwährungskredite – auch dank einer wachsenden Zahl an Finanzdienstleistern – rasch zum Verkaufsschlager. Denn Finanzberater kassierten doppelt und dreifach: von der Bank für die Kreditvermittlung und von Versicherungen oder Fonds für den Abschluss von Tilgungsträgern. Im Herbst 2008 war ein Drittel aller Privatkredite in Österreich in fremder Währung abgeschlossen (zu 90 Prozent in Franken). Doch mit der Finanzkrise kam das böse Erwachen, und die Fremdwährungskredite entpuppten sich als das, was viele von Beginn an waren: hochriskante Spekulationsprodukte. 2008 verhängte die österreichischen Finanzmarktaufsicht (FMA) de facto ein Verbot für Fremdwährungskredite, indem sie die Vergaberegeln deutlich verschärften.

Zuvor wurde oft nicht einmal kontrolliert, ob überhaupt in den Tilgungsträger eingezahlt wurde“, erzählte FMA-Sprecher Klaus Grubelnik gegenüber ORF.at. Die Gier nach dem leichten Geld sei groß gewesen, und „Fremdwährungskredite waren die Hedgefonds des kleinen Mannes“. Heute dürfen nur noch Personen mit einem Einkommen in der Fremdwährung (etwa Franken) oder mit einem sehr großen Vermögen als Sicherheit einen Fremdwährungskredit abschließen. „Damit ist diese Kreditform kein Massenprodukt mehr“, sagte Grubelnik.

Die FMA warnt schon seit geraumer Zeit vor den Gefahren dieser riskanten Finanzprodukte und unterstützt die Banken in ihren Bemühungen, die Kunden zu einer Umschuldung zu bewegen. Mit mäßigem Erfolg. In den letzten vier Jahren ging das Kreditvolumen zwar von 47 Mrd. auf rund 32 Mrd. Euro zurück, doch noch immer laufen knapp ein Viertel aller Kredite in Franken oder Yen. Und das, obwohl mit der Bankindustrie „attraktive Angebote“ für Umstiegswillige vereinbart worden seien, wie FMA-Vorstand Helmut Ettl kürzlich in einem Ö1-Interview erklärte.

Banken erhöhen Druck auf Kreditnehmer

Doch es gibt auch warnende Stimmen vor einem übereilten Wechsel. Johann Wally, Ombudsmann der Fachgruppe Finanzdienstleister der WKÖ, verwehrt sich dagegen, alle Fremdwährungskredite über einen Kamm zu scheren. In Kombination mit einem konservativen Tilgungsträger wie einer klassischen Lebensversicherung drohe bei Tilgung nicht unbedingt ein Verlust, sagte Wally gegenüber ORF.at. Die Entwicklung des Schweizer Franken bereitet aber auch ihm Kopfzerbrechen.

Er rät Fremdwährungskreditnehmern, den Franken-Kurs genau zu beobachten. „Das kann man ganz einfach in der Zeitung nachschlagen.“ Dass der Kurs weiter sinkt, davon geht Wally nicht aus: „Das würde die Schweizer Wirtschaft nicht überleben.“ Aber wer heute sagen könne, was die Zukunft bringt, „ist ein Hellseher“. Da sich neben den privaten Haushalten auch viele Gemeinden mit Franken-Krediten verschuldet haben, bleibe laut Wally zu hoffen, dass auch die öffentliche Hand den Druck auf die Schweiz erhöhen werde.

Derzeit müsse jeder, der sich für eine Umschuldung entscheide, mit einem Kursverlust rechnen. „Das kann bei einer Kreditsumme von 300.000 Euro bis zu 80.000 Euro ausmachen“, warnt Wally. Dennoch erhalten viele Kreditnehmer dieser Tage wieder Post von ihrer Bank. Es sei zwar nicht so schlimm wie vor zwei, drei Jahren, als die Kreditnehmer regelrecht Drohbriefe erhalten hätten, so Wally, aber der Druck werde wieder stärker.

Kursverlust vs. Risikominimierung

Bei der Ersten Bank setzt man vor allem auf Information. „90 Prozent unserer Kunden kommen zum Gespräch“, erzählt Reinhard Aumann, Wohnbauverantwortlicher bei der Ersten Bank. Ein Drittel habe die Kredite bisher zur Gänze oder zum Teil umgewandelt, ein Drittel habe Teileinzahlungen geleistet. Die Kunden würden jedoch zu nichts gedrängt, versichert Aumann. Die Verträge seien aufrecht, und an die halte man sich. Konvertierungswilligen bietet die Erste Bank einen Umstieg ohne Devisenprovisionen und garantierte 2,9 Prozent Zinsen auf 10 Jahre.

Ganz so uneigennützig sind die Angebote der Banken nicht. Denn Franken-Kredite bedeuten aufgrund der strengeren FMA-Regeln auch mehr Verwaltungsaufwand, zudem müssen Finanzinstitute für die riskanten Kredite auch mehr Eigenkapital auf die Seite legen. Und natürlich verdienen Banken bei Euro-Krediten mehr, da die Zinsen im Vergleich zum Franken-Kredit nach wie vor höher sind.

Der Kreditnehmer steht damit vor einem Dilemma. Bei einem sofortigen Wechsel in den Euro wird zwar das Risiko minimiert, doch die Kursverluste werden sofort schlagend, und von möglichen günstigen Kursentwicklungen kann nicht mehr profitiert werden. Wartet man zu, und der Euro stürzt auf einen Franken ab (ein Szenario, das aufgrund der derzeitigen Situation in Europa nicht ausgeschlossen werden kann), würde eine Kreditsumme von 300.000 Euro plötzlich 410.000 Euro betragen.

AK: „Raus aus der Endfälligkeit“

Auch die Arbeiterkammer Niederösterreich (AKNÖ) rät: so rasch wie möglich aus der Endfälligkeit raus und in die Tilgung rein. Dafür müsse man die riskanten Tilgungsträger stilllegen, das frei gewordene Geld zur Schuldenrückzahlung verwenden oder risikofrei anlegen, rät Manfred Neubauer von der AKNÖ. Für die Finanzierungslücke werde man notfalls einen weiteren Kredit aufnehmen müssen. „Statt wie erhofft mit 50 schuldenfrei zu sein, werden viele noch bis 60 weiterzahlen müssen“, glaubt Neubauer.

Wer alleine hingeht, hat schon umgeschuldet“

Wie genau eine Umschuldung aussieht, kann nur im Einzelfall mit der Bank ausverhandelt werden. Im Idealfall könnte man sich mit der Bank auf einen Schuldenschnitt einigen und die restliche Summe mit langer Laufzeit und einem niedrigen Fixzinssatz zurückzahlen. Auf keinen Fall dürfen die Banken bei bestehenden Fremdwährungskrediten die Margen erhöhen, so Neubauer. In dem Fall rät die AK, sich an den Konsumentenschutz zu wenden. WKO-Fachmann Wally rät überhaupt dazu, zum Banktermin einen Finanzexperten mitzunehmen. „Wer alleine hingeht, nachdem er einen Drohbrief bekommen hat, hat schon umgeschuldet.“

Quelle: Gabi Greiner, ORF.at